Die Kaffee-Krise und ihre Opfer

Christoph Burkhard, 25. Februar 2003

Schweizer Kaffee-KonsumentInnen werden geschröpft wie eh und je – der dunkle, duftende Morgentrunk ist kaum billiger geworden in den letzten Jahren. Enorm geschrumpft hingegen ist der Verdienst der Kaffee-ProduzentInnen und PflückerInnen... Im Süden von Costa Rica, der „Schweiz Zentralamerikas“, habe ich mich bei einigen von ihnen umgehört: „Wir Pflückerinnen sind in einer sehr schwierigen Situation“ erzählt mir die alleinerziehende Maritza. Mit ihren 3 kleinen Buben lebt sie in einer Wellblechhütte, die knapp Raum bietet für eine Holzfeuerstelle, ein kleines Tischlein und 2 schmale Betten. „Stellen Sie sich vor: vor 4 Jahren verdienten wir 700 Colones für den ersten Erntedurchgang, jetzt sind es noch 400! In der Haupterntezeit verdienen wir nur noch 300.- pro „Cajuela“ (Messgefäss).* Zudem werden nur noch reife, rote Beeren akzeptiert – ohne Blätter – und es hängen weniger Kaffeekirschen an den Stauden, weil die Bauern kein Geld mehr haben für Düngung und Unterhalt. So ernten wir denn bloss noch 4 statt 7 Cajuelas in einem langen Arbeitstag unter stechender Sonne und gepeinigt von Stechfliegen. Im Dorfladen werden Reis und Bohnen immer teurer, der Entgelt für unsere Arbeit aber sinkt dauernd!“
An einem Schülerfest erzählt mir Don Adolfo, Lehrer von Santiago: “Die Schülerzahl unseres Dorfes ist fast um die Hälfte gefallen, weil die Familien ihr Auskommen in den Städten oder gar in den fernen USA suchen müssen...“
„Uns alle, die wir vom Kaffee leben müssen, hat der Preissturz schwer getroffen, ganz besonders die Ärmsten“ klagt Doña Edith. „Normalerweise konnten wir uns Ende Jahr wenigstens ein neues Kleid leisten, jetzt aber reicht der Erlös kaum noch fürs Essen. Bis auf weiteres pflanzen wir lieber Mais, Bohnen, Gemüse, Chayote u.a.m. So sind wir zufrieden und können uns selbst versorgen. Ich sage meinem Mann und meinem Sohn, sie sollen doch eine Kuh anschaffen, das gibt Milch, Käse und Fleisch. Schweine und Hühner haben wir schon. Alles was man selbst produziert, braucht man nicht kaufen... Die wichtigsten Bar-Einnahmen bringen uns heute TouristInnen, die wir beherbergen“. Ergänzt ihr Sohn Samael, selber Besitzer einer Hektare Kaffee: “Wenn die Krise mehr als fünf Jahre dauert, gebe ich den Kaffee auf. Ich hoffe aber darauf, dass die Bio-Verarbeitungsstätte unseres Dorfes bald funktioniert. In der Zwischenzeit erhalte ich meine Pflanzung mit möglichst minimalem Aufwand, und stelle auf biologischen Anbau um. Stickstoffspendende Bäume wie Poró und Guava habe ich schon gepflanzt. Im Übrigen halte ich mich durch Taglöhnerei, Zuckerrohr schneiden und pflanzen von Mais, Bohnen und Kürbis über Wasser.“ Leo, Präsident eines bäuerlichen Umweltvereins, meint: „Der Kleinbauer pflanzt, produziert und liefert ab – vermarkten kann er nicht. Banken geben uns keine Kredite und keiner von uns hat Reserven um in neue Produkte zu investieren. Unser Verdienst reicht mehr schlecht als recht für die täglichen Ausgaben. Die reichen Länder sollten den Produzenten gerechte Preise zahlen – mindestens aber genug zum Unterhalt von Familie und Pflanzungen. Weltwährungsfonds, Weltbank und Welthandelsorganisation - alle reden sie von „Bekämpfung der Armut“ –– aber wenn’s gilt, macht keiner was – leeres Gerede...“ Optimistischer scheint Ing. Donald Castillo, Chef des grössten Kaffee-Verarbeitungsbetriebes der Gegend: „So schlechte Preise wie jetzt habe ich noch nie erlebt! Von jetzt an werden wir die Zwischenhändler umgehen und direkt an Röster und Konsumenten verkaufen. Wegen der tiefen Preise wird weltweit viel weniger produziert – beispielsweise unterhält jeder Vierte unserer Genossenschafter seine Pflanzungen nicht mehr. Es ist also zu erwarten, dass in rund zwei Jahren die Preise wieder steigen werden. Eine gute Möglichkeit ist Bio-Kaffee – der verkauft sich auch heute für rund 4.- Franken pro kg, gut das Doppelte des Konventionellen. Heute verliert ein Produzent über 10 Franken für jeden Sack „Pergamino“ (exportfähiger Trockenkaffee), den er produziert. Die Pflücklöhne sind so schlecht, dass bereits mehr als 60% der PflückerInnen aus dem armen Nicaragua kommen. Für Einheimische lohnt sich Kaffeepflücken nicht mehr.“

* Maritzas Taglohn entspricht somit ca. 5.- Franken – weniger als 1.- Fr. pro Stunde. Inflationsbereinigt ist ihr Einkommen in 4 Jahren um mindestens die Hälfte gesunken...


 
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