Wahlen in Costa Rica - Nichts ist wie vorher
Am 5. Februar 2006 fanden die Präsidentschaftswahlen in Costa
Rica statt. Sie standen voll unter den Vorzeichen der nun schon
seit mehreren Jahren in Lateinamerika sich allgemein abzeichnenden
politischen Richtungsänderungen. Nämlich weg von den neoliberalen
Prämissen, die die Armut nur verstärkten und die natürlichen
Reichtümer nur noch mehr der Habgier der multinationalen Konzerne
preisgaben. Im Fall von Costa Rica kommt hinzu, dass die traditionelle,
alternierende Regierungsablösung der beiden Grossparteien (PUSC,
christlich soziale Partei und PLN, sozialdemokratische Partei) durch
Korruptionsskandale in den höchsten Spitzen zu Fall kam. Zwei
Expresidenten (PUSC) befinden sich zur Zeit in Haft und ein dritter
(PLN) hält sich im schweizer Exil auf.
Ein Abweichen von diesem Sysetem, des sich Aufteilens der politischen
Macht zeichnete sich schon bei den letzten Wahlen vor vier Jahren
ab, als eine neu gegründete Partei (PAC, Partido Accion Cuidadana)
es ueberraschend auf 26 % der Stimmen brachte. PAC definierte ihr
Programm als eine bürgernahe, gegen Korruption jeder Art gerichtete
und eine ökologische, eigenständige Entwicklung Costa
Ricas befürwortende Partei. Ihr Spitzenkandidat, Ottón
Solís, ein Ökonom, der seine Universitätsausbildung
in England absolvierte, kritisierte vehement die von der costarikan.
Regierung seiner Meinung nach denkbar schlecht ausgehandelten Freihandelsverträge
mit den USA. Seine Kritik fiel auf fruchtbaren Boden. Die wachsende
Unzufriedenheit des Mittelstandes, die in den Freihandelsverträgen
vor allem ein Instrument für die Bereicherung der Exporteure
sahen, trug dazu bei, dass die Partei zum Sammelbecken aller dieser
Kräfte, Bauern, Studenten, Gewerkschafter, Künstler, der
sozialen Kirche und Bürgerkomites wurde. Der Wahlkampf wurde
von Seiten des PAC mit wenig finanziellen Mitteln aber mit viel
Phantasie, Humor und Eigeninitiative der Bürger geführt.
Vor allem politische Debatten auf allen Ebenen standen im Vordergrund.
Die Partei PLN, wählte als Kandidaten den Expresidenten und
Friedensnobelpreisträger Oscar Arias. Arias regierte von 1986
bis 1990 und ging als Friedensstifter im Konflikt USA – Nikaragua
in die Geschichte ein, als er sich gegen die Benutzung costarikanischen
Bodens durch die „Contras“, die damals unterstützt
von den USA gegen die sandinistische Regierung kämpften, wehrte.
Für seine damaligen Initiativen bekam Oscar Arias 1987 den
Frierdensnobelpreis. Das liegt nun beinahe 20 Jahre zurück
und Arias musste in der Zwischenzeit intern in Costa Rica viel von
seinem internationalen Prestige einbüssen. So z.B nahm man
ihm seine Intervention beim Verfassungsgericht für die Zulassung
der Wiederwahl in Costa Rica sehr übel. Auch seine neoliberale
Position in Wirtschaftsfragen und das vorbehaltlose Eintreten für
die Freihandelsverträge trugen zu Popularitätsverlusten
bei.
Da konnte auch die kräftige „Wahlmaschine“ der
Partei (PLN), bedeutende finanzielle Mittel und ein viel längerer
Wahlkampf als alle anderen Parteien nichts aufholen. Die Medien
und Meinungsforschungsinstitute versuchten noch das ihre zu einem
Sieg der PLN beizutragen und sagten wenige Tage vor den Wahlen einen
überlegenen Sieg Oscar Arias voraus.
Der Sieg fiel so knapp wie noch nie in den letzten 40 Jahren aus.
Mit ca. 18.000 Stimmen Vorsprung gewann Oscar Arias die Wahlen.
Ziehen wir die hohe Stimmenthaltung in Betracht (34 %), kommt letzten
Endes heraus, dass Oscar Arias von einem Viertel der wahlberechtigten
Costarikaner gewählt wurde.
Die costarikan. Wochenzeitung „Universidad“ spricht
von einer grossen Hoffnung, die diese Wahlen für Costa Rica
aufgetan hätten. Abgesehen vom Kandidaten der letzten Endes
die Wahl gewonnen hat, hätte das Wahlverhalten der Costarikaner
Hoffnungen auf eine neue politische Kultur eröffnet. Eine Wandlung
vom neooligarchischen, auf Personenkult und Klientenwirtschaft aufbauendem
System zu einer republikanischen, vom mündigen Bürger
getragenen Politik. Es würde sehr schwierig werden für
Oscar Arias im alten Stil zu regieren und Entscheidungen ohne die
Zustimmumg der neuen sozialen Akteure zu treffen. Die sozialen Spannungen
könnten zu Explosionen führen, deren Ausmasse noch gar
nicht abzuschätzen sind.
Es wehen neue, frische Winde in unserem Lateinamerika von heute.
Unser südlicher Kontinent ist im Umbruch. Die Krise des Neoliberalismus
hat starke, alternative gesellschaftliche Entwicklungen in Gang
gebracht. Fern aller traditionellen politischen Strukturen. Da können
wir völlig neue Wege der Ressourcenpolitik in Bolivien, neue
Formen der gewerkschaftlichen und Arbeitsorganisation („piqueteros“)
in Argentinien, alternative Medienprojekte der Zapatisten, partizipative
Dezentralisierungsversuche in Uruguay, das emanzipative, solidarische
Staatsprojekt in Venezuela und viele andere Formen einer neuen Praxis
finden. Ein reiches Labor von neuen Widerstandsformen die da ausprobiert
werden.
Auch in Costa Rica ist nach dem 5. Februar 2006 nichts mehr so wie
früher .
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