Liebe Freunde !
Die Monate vergehen und aus dem beabsichtigten Neujahrsbrief ist
inzwischen ein Osterbrief geworden !
Das macht die Arbeit einer Bilanz nicht einfacher. Viele neue Projekte
sind im Laufe des Jahres 2003 entstanden und die ersten 3 Monate
dieses Jahres waren, abgesehen von einer traumhaften Sommerperiode,
so ereignisreich, dass wir erst jetzt die etwas ruhigeren Tage der
Osterwoche benutzen, eine Art Jahresbericht zu verfassen.
2004 feiert die Flüchtlingskooperative Finca Sonador in Costa
Rica ihr 25 jähriges Bestandsjubiläum.
Eine erste Würdigung dieses historischen Jahres fand in der
letzten Jännerwoche 2004 mit einem Jugenkulturfestival auf
Finca Longo Mai statt. Kinder und Jugendliche aus unserer Region
präsentierten während einer Woche Theater-, Tanz- und
Zirkusaufführungen. Unsere Freunde, Diego Gené, seine
Schüler der Clown- und Mimenschule von Granada/Nikaragua, die
Schauspieler Evelyn Sanchez, Arturo Barboza und die Tänzerin
Carla Sanchez koordinierten die Workshops und die zur Aufführung
gelangten Choreographien.
Der Erfolg des Festivals veranlasste uns ein langfristiges Konzept
einer Theater- Tanz- und Zirkusschule für die ganze südliche
Region zu entwickeln. Darüber hinaus sollten die schon bestehenden
Kontakte der Clown- und Mimenschule von Nikaragua in ganz Zentralamerika
die Aktivitäten und Austauschprogramme der neuen Schule noch
zusätzlich erweitern.
Aber zurück zu Finca Sonador:
Ganz im Sinne eines langfristigen friedlichen Aufbaus von Archipelen
für kommende Generationen, gleichsam Ruhepolen für Reflexion,
die nicht dem Druck der globalen wirtschaftlichen und ideologischen
Agressionen ausgesetzt sind, hat sich die Europäische Kooperative
Longo Mai entschlossen, neues Land, eine Nachbarfinca von ca. 100
ha in Costa Rica zu kaufen. Das Projekt erhielt den Namen „El
Mayo“, weil ein Grossteil der Waldflächen der neuen Finca
von den imposanten Schirmkronen des Mayo – Baumes geprägt
werden. In diesen Wochen, ab mitte April kann man das tiefe Gelb
der Blüten dieser Bäume schon von weitem ausmachen.
El Mayo wird also die Landnot der Finca beheben helfen und neue
Freiräume für Zukunftswerkstätten und alternative
Lebenskonzepte schaffen. Ein Teil der neuen landwirtschaftlichen
Nutzflächen wird in einer neuen Form, nämlich als kolektives
Ppojekt bewirtschaftet werden. Leonel, Pedro, Aino und andere Junge
der 2. Generation arbeiten an dem Konzept einer gemeinschaftlichen
Organisation.
Wir denken, dass unsere innovativen Wege in diesen Zeiten der globalen
Megaprojekte infrastruktureller Art wie sie etwa der Plan Puebla
Panama mit dem Ausbau der Transportwege, der Häfen, der Staudämme
und transnationalen Energieversorgung, der Ausbeutung der biologischen
Reserven und der Freihandelszonen Zentralamerikas vorsieht, und
die letzten Endes nur die Zerstörung der Umwelt, Migrationen
ganzer Bevölkerungsgruppen und die Ausnutzung der billigen
heimischen Arbeitskraft zur Folge haben, realistische alternative
Vorschläge darstellen.
Gegen diese Logik des Profits, die heute in ganz Lateinamerika auf
wachsenden Widerstand stösst, geht unsere Philosophie von Mikroprojekten
aus, die überschaubar und verständlich bleiben und von
kleinen Gruppen getragen werden.
Wir möchten über mehre Generationen aufzeigen, dass friedliche
Lösungen, die den Menschen im Zentrum der wirtschaftlichen
und sozialen Entwicklung sehen, möglich sind.
Im Zusammenhang mit dieser Erweiterung der Finca steht ein anderes
Projekt, das Prof. Eduardo Saxe und Juan Gomez an Longo Mai herangetragen
hat. Es handelt sich um die Gründung einer alternativen Universität
auf dem Gelände von Longo Mai.
Eduardo Saxe, Prof. für Geschichte und Soziologie an der Nationalen
Universität von Heredia beschreibt die Funktion der neuen Einrichtung
wie folgt: die UAS (Universidad Alternativa del Sur) ist eine Universität
auf Grund seiner universalen Vision und Reichweite. Sie ist multidisziplinär
und beschäftigt sich mit alternativen Denkrichtungen, Konzepten
und Vorschlägen. Sie ist ausserdem vom „Süden“.
Das heisst einerseits im Süden Costa Ricas angesiedelt, andererseits
sind ihre Zielrichtungen die „Menschen des Südens“
und die alternativen Visionen.
Die UAS richtet ihre Aktivitäten zunächst auf Longo Mai
und die umliegenden Dörfer aus. Ihre Denkanstösse sollen
in Richtung Festigung von Humanismus und Pazifismus und Entwicklung
kreativer Kommunalprojekte gehen.
Die UAS sieht regionale, nationale und internationale Projektionen
vor.
Im akademischen Bereich programmiert die UAS Dozentur und Untersuchungsprogramme
auf wichtigen Gebieten, wie Organisation, Erziehung, Produktion
und Kommunikation.
Das Personal der UAS wird sich am Beginn aus gerade pensionierten
und gerade graduierten Professoren zusammensetzen. Die Studenten
organisieren sich als Gruppe um die Professoren und die Themenbereiche
werden alle „möglichen“ und „notwendigen“
umfassen, speziell Themen des „Südens“ (eine neue
Menschheit) und Themen in Bezug auf die Natur.
Die UAS soll auf einem Terrain von ca. 7 ha (Campo Grande von Longo
Mai) entstehen. Obwohl die infrastrukturelle Realisierung noch einige
Zeit in Anspruch nehmen wird, sind noch für dieses Jahr die
ersten akademischen Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit der UNA/Sede
Pérez Zeledón vorgesehen.
Wie 2002 die Realisierung der Videodokumentation „Pura Vida“
uns neue Möglichkeiten ein breites Publikum anzusprechen, eröffnete,
gab es 2003 gleich 2 Filme, die im Rahmen unserer traditionellen
Herbsttour quer durch Österreich und Deutschland zur Aufführung
kamen.
Frau Carola Mair produzierte den Beitrag „Oberösterreicher
in Costa Rica“ und der Zivildiener Julian Wiehl dokumentierte
die erste „Zirkusschule für Kinder“ in Costa Rica.
Beide Filme kamen an ca. 40 Vorträgen in fast allen Bundesländern
Österreichs zur Aufführung. Die Beiträge fanden grossen
Beifall. Wir möchten uns an dieser Stelle speziell bei Carola
Meir und Julian W. recht herzlich bedanken!
Am 12. Februar 2004 gab es dann noch zusätzlich die Premiere
der spanischen Fassung des Films von Carola Meir im Filmzentrum
von San José. Frau Angela Orthner, Landtagspräsidentin
von O.Ö. reiste speziell für dieses Ereignis nach Costa
Rica. Wir danke für ihre Unterstützung und hoffen, dass
wir ihr einige interessante Aspekte dieses freundlichen, tropischen
Landes näher bringen konnten.
Im März 2004 realisierten wir ein schon vor langer Zeit geplantes
Projekt. Wir begleiteten eine Gruppe von Indigenen von Terraba zu
ihrem Mutterstamm Naso in Panama. Das Unternehmen wurde zu einem
der eindrücklichsten Unternehmen der letzten 20 Jahre. Das
Volk der Naso lebt noch sehr zurückgezogen am oberen Flusslauf
des Rio Teribe in Bocas del Toro.Umgeben von einer überwältigenden
Natur ist ihr Territorium nur auf dem Flusswege zu erreichen. Vor
mehreren Jahrhunderten wurden aus dieser indigenen Dorfgemeinschaft
ganze Familien nach Costa Rica (Terraba) verschleppt. Bis in die
80er Jahre gab es kaum Verbindungen zwischen den beiden Brüderstämmen,
bis dann in einer kulturelen Besinnung die Teribes in Costa Rica
Nachforschungen über ihre Herkunft anstellten. In der Folge
kam es zu mehreren Besuchen und Gegenbesuchen. Lehrer der Naso fanden
sich bereit in Terraba wieder ihre Sprache zu lehren und absurderweise
haben beide Völker heute mit grossen Problemen durch bedrohliche
Wasserkraftwerksbauprojekte zu kämpfen. Terraba, das durch
den geplanten Boruca – Staudamm vom Verlust grosser Landflächen
bedroht ist und die Naso, deren Territorium durch kolumbianische
Staudammvorhaben viel von seinem biologischen Reichtum und seiner
Integrität einbüssen würde.
Carola Meir und ein Kamerateam haben diese hochinteressanten Erfahrungen
bildlich festgehalten.
Wir werden versuchen, die Teribes und Nasos im Rahmen unserer Möglichkeiten
durch Verbreitung der Information in Europa und Patenschaften für
die Gymnasiasten und Studenten ihrer Dörfer zu unterstützen.
Unsere Schülerpatenschaften im Raum von San Isidro haben durch
die Initiative von Herrn Siggi Wiehl (Vater des Zivis Julian Wiehl)
eine beträchtliche Verstärkung erfahren. Herr Wiehl hat
vor einigen Jahren das Kinderhilfswerk COSTALANKA ins Leben gerufen.
Der Verein unterstützt ein Waisenheim in Sri Lanka und jetzt
zusätzlich sozial gefährdete Kinder und Jugendliche in
den Aussenvierteln von San Isidro.
Dank COSTALANKA können wir, wahrscheinlich früher als
vorgesehen den vielen Jugendlichen, die aus Mangel von Patenfamilien
auf unserer Warteliste stehen, ein Stipendium zukommen lassen.
Herrn Wiehl und seinem Verein einen grossen Dank !
Am Ende dieses langen Briefes möchte ich noch der Equippe
des Comedors unseren Dank aussprechen. Im Sommer 2003, Dominique
arbeitete in der streetwork, aber auch im Comedor entstand die Idee,
an die deutsche Botschaft ein Ansuchen für den Ausbau des Comedors
zu stellen. Überraschend schnell wurde das Projekt genehmigt
und die Ausbauarbeiten noch im September/ Oktober in Angriff genommen.
Die Vorhersehung schickte uns zur selben Zeit den freiwilligen Mitarbeiter
Richard Wieland und zusammen mit der Equippe von Julian, Isabelle,
Petra, Elanor, Chrissi, Anna, Julia usw. erstand der Comedor in
nur 7 Wochen in neuem Glanz. Euch allen einen herzlichen Dank.
Auch der Repräsentantin der Deutschen Botschaft, Frau Frauke
Gorosabel unseren besten Dank.
Von Dominique wissen wir, dass sie das Studium der Sozialarbeit
in Argentinien aufgenommen hat. Wir wünschen ihr auf ihrem
weiteren Weg viel Erfolg!
Dominique setzte sich nach ihrer Rückkehr nach Deutschland
mit der leider zu sehr in Vergessenheit geratenen Pädagogik
von Makarenko auseinander und empfahl allen, die mit Strassenkindern
und sozial gefährdeten Jugendlichen zu tun haben die Lektüre
des „Pädagogischen Poems“. Freunde in Deutschland
und Österreich helft uns dieses grosse Werk in Antiquariaten
zu finden, um es zu einem festen Bestandteil unserer Bibliothek
hier werden zu lassen !
Allen Freiwilligen, Praktikanten und Zivis, Peter, Klaus, Julian,
Isabelle, Eileen, Judith, Josée und den vielen anderen, die
uns ein Stück des Weges begleiteten, einen grossen Dank und
willkommen für einen neuerlichen Besuch oder Einsatz !
Unseren Freunden in Österreich, Frau Rosa Pürcher, Steffi
und Horst Kleinen, den Pateneltern unserer Schüler und Studenten,
allen, die eine kontinuierliche, aufwendige Arbeit im Unterstützungsverein
leisten, einen ganz speziellen Dank!
Bis zum nächsten Jahr !
Roland Spendlingwimmer
Costa Rica, am 8. April 2004
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